Hörspiel „Masse – Mensch“

Der NDR strahlte am Mittwoch, den 29. Mai 2019 um 20:00 Uhr das Hörspiel Masse – Mensch nach dem gleichnamigen Theaterstück von Ernst Toller aus.

2019: 30 Jahre nach dem Mauerfall, 50 Jahre nach der 68er Bewegung, 70 Jahre nach Entstehung des Grundgesetzes, 100 Jahre nach dem Ende der deutschen Monarchie und nach der Gründung der ersten deutschen Republik… Wie weit sind wir? Wirklich? Wir, die deutschen Bürgerinnen und Bürger des 21. Jahrhunderts – sind wir mündig? Die „Klassenfeinde“ und Monarchen, die Spekulanten und Revolutionäre von damals tragen heute vielleicht nur andere Namen. Neid, Gier, Ignoranz waren und sind immer noch die Triebfedern aller Verrohung, aller Propaganda, allen Terrors. Ernst Tollers im Oktober 1919 verfasste, konzentrierte Studie „Masse – Mensch“ ist eine fast schon exemplarische Auseinandersetzung mit der Frage nach der eigenen Verantwortung inmitten gesellschaftlicher Umwälzungen.

Der vor 80 Jahren, am 22. Mai 1939, verstorbene Autor schrieb sein Stück im Gefängnis Niederschönenfeld, nachdem er kurz nach den vier berüchtigten bayerischen Wochen im Frühjahr 1919, in denen gleich zwei Räterepubliken unter Mitwirken Tollers als zeitweiliger Vorsitzender der bayerischen USPD verschlissen wurden, festgenommen wurde. Sein expressionistisches Drama erzählt in Momentaufnahmen Stationen vom November 1918 bis Mai 1919. Die Hauptfigur Sonja Irene L. lässt gesellschaftliche Konventionen und Familie hinter sich und folgt ihrer Empörung über die Zustände in aller Konsequenz. Sie ruft zum Streik auf, um das Sterben in den Schützengräben zu beenden. Sie ist Demokratin und Pazifistin und wird Teil einer revolutionären „Masse“. Ein Namenloser, ihr Gegenpol, peitscht die Masse zum brutalen Gemetzel auf – der Streik gerät außer Kontrolle und die Protagonistin verliert die Gunst der Bewegung, wird verhaftet und vor eine Wahl gestellt. Ben Neumann und Christoph Kalkowski untersuchen in ihrer Hörspielversion jenes „Stück aus der sozialen Revolution des 20. Jahrhunderts“ für das Jahr 2019, ohne es zertrümmern oder neu erfinden zu müssen. Was wie ein pathetischer Weckruf anmutet, verhandelt Fragen, die heute mehr denn je relevant sind: Wann erheben wir uns in Angesicht von Unrecht? Wie viel vom „ich“ wären Sie eigentlich für ein „uns“ zu opfern bereit? Welcher Zweck heiligt aus Ihrer Sicht welche Mittel?

Das Hörspiel kann im Anschluss an die Sendung im Podcast NDR Hörspiel Box zwölf Monate lang angehört und heruntergeladen werden.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Mit Jana Schulz (die Frau), Rüdiger Kling (der Namenlose), Jutta Wachowiak (Terror), Nickel Bösenberg (der Mann), Alida Stricker (zweite Arbeiterin), Lotte Schubert (erste Bankerin), Emma-Lotte Wegner (zweite Schatten), Rebecca Lindauer (zweite Gefangene), Johannes Scheidweiler (Verurteilter), Hugo Tiedje (Wärter), Janek Maudrich (Offizier), Torben Apel (Schreiber) und Christian Brückner sowie der Chor der Masse aus Student*innen des zweiten Studienjahres der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“
Bearbeitung: Ben Neumann
Ton und Technik: Alexander Schäfer
Aufnahmeleitung: Antje Rose
Chorleitung und künstlerische Mitarbeit: Petra Hartung
Komposition und Klanggestaltung: jayrope und Christoph Kalkowski
Idee und Regie: Christoph Kalkowski
Dank an die Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, Frau Prof. Weber, und der Georg Neumann GmbH sowie dem SAE Institute Berlin
Besetzung: Marc Zippel
Produktion: NDR 2019 I ca. 52 min. l Ursendung
Redaktion: Michael Becker