Ernst Toller wird am 1. Dezember 1893 als jüngstes von drei Kindern einer jüdischen, bürgerlichen Kaufmannsfamilie in Samotschin in der damaligen preußischen Provinz Posen im heutigen Polen geboren. Seine Eltern, Max (Mendel) Toller und seine Mutter Ida Toller, geborene Cohn, betreiben eine Getreidehandlung am Marktplatz der kleinen Stadt. Nach seinem Schulabschluss am Realgymnasium Bromberg schreibt er sich 1914 an der Universität von Grenoble für Philosophie und Rechtswissenschaft ein. Als die Meldung vom Ausbruch des der Ersten Weltkriegs ihn erreicht, kehrt er sofort nach Deutschland zurück und meldet sich in München freiwillig zum 1. Königlich-Bayerischen Fuß-Artillerie-Regiment. Anfang 1915 meldet er sich trotz mangelnder Erfahrung an die Front und kämpft vor Verdun und im Priesterwald.
Nach einem körperlichen und psychischen Zusammenbruch wird Toller 1916 als kriegsverwendungsunfähig entlassen und nimmt zunächst in München sein Studium wieder auf. Im Kreis um den bekannten Theaterwissenschaftler Artur Kutscher knüpft er erste Kontakte in der Literaturszene, er trifft unter anderem Thomas Mann und Rainer Maria Rilke. Als Vertreter der Jugend wird er im September 1917 auf die 2. Lauensteiner Tagung auf der Burg Lauenstein im thüringischen Wald eingeladen. Dort trifft er Max Weber, von dem er sehr beeindruckt ist. Er folgt Weber nach Heidelberg, wo er sich für das Wintersemester 1917/18 einschreibt. In Heidelberg beginnt seine Politisierung. Er schließt sich einer pazifistischen Gruppe rund um die spätere österreichische Sozialistin Käthe Leichter (geb. Pick) an und gründet den Kulturpolitischen Bund, der sich gegen den Krieg und die Deutsche Vaterlandspartei wendet. Mehrere Flugblätter und Aufrufe bringen ihn in einen ersten Konflikt mit den Ordnungskräften. 1918 schließt er sich der Berliner Streikbewegung an. Daneben schreibt er an seinem ersten Stück, Die Wandlung.
Im Mai 1918 wird Toller wegen versuchten Landesverrats festgenommen und wieder in die Armee eingezogen. Als im November die Monarchie zusammenbricht, kämpft Toller in München auf der Seite der Revolution und beteiligt sich an der Gründung einer Räterepublik. Dort bekleidet er zahlreiche Ämter und Funktionen. Im März 1919 wird Toller (zusammen mit Andreas Fendl) zum Vorsitzenden der USPD München erklärt und steht für einige Tage im April als Vorsitzender des Provisorischen Revolutionären Zentralrats an der Spitze der improvisierten Sowjetrepublik.
Nach der Niederschlagung der Räterepublik wird Toller wegen Hochverrats verhaftet und zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt, die er zuerst in der Justizvollzugsanstalt München („Stadelheim“), in Neuburg an der Donau und in Eichstätt verbringt, bevor er 1920 nach Niederschönenfeld überführt wird. In der Haft entstehen nacheinander die Stücke Masse Mensch (1921), Die Maschinenstürmer (1922), Der deutsche Hinkemann (1923) und Der entfesselte Wotan (1923), die ihm auch international zum Durchbruch als Dramatiker verhelfen und mit großem Erfolg inszeniert werden. Darüber hinaus verfasst er zwei Gedichtbände, Gedichte der Gefangenen (1921) und Das Schwalbenbuch (1924), das Puppenspiel Die Rache des verhöhnten Liebhabers (1920), die Massenfestspiele Bilder aus der großen französischen Revolution (1922) und Krieg und Frieden (1923) sowie die Chorwerke Requiem den erschossenen Brüdern und Tag des Proletariats (beide ca. 1920).
Nach der Freilassung beginnt für Toller eine Zeit starken politischen und kulturellen Engagements. Er engagiert sich etwa in der Deutschen Liga für Menschenrechte, setzt sich für politische Gefangene ein, bezieht Stellung in Kontroversen, hält zahlreiche Vorträge und Reden, geht auf Lesereisen und ist weiterhin literarisch tätig: Es entstehen die Stücke Hoppla, wir leben! (1927), Bourgeois bleibt Bourgeois (1929, zusammen mit Walter Hasenclever), Feuer aus den Kesseln (1930), Wunder in Amerika (1931, zusammen mit Hermann Kesten) und Die blinde Göttin (1932).
Daneben kann man in Tollers Werk einen Trend zum journalistischen und dokumentarischen Schreiben erkennen. Dieser manifestiert sich in zahlreichen Reportagen und Aufsätzen, Reiseberichten sowie Kommentaren zu (kultur-)politischen Themen, aber auch in den Hörspielen Berlin – letzte Ausgabe! (1930) und Indizien (1932) sowie vor allem in dem 1927 publizierten Band Justiz. Erlebnisse, in dem Toller die Behandlung politisch linksstehender Gefangener in Bayern dokumentiert.
Toller unternimmt zahlreiche Reisen, u. a. nach Ägypten und Palästina (1925), in die Sowjetunion (1926 und 1930), nach Frankreich (1926), England (1925, 1928 und 1929), Österreich (1927), Dänemark, Schweden und Norwegen (1927 und 1928) und in die USA (1929). Einen Teil der in dieser Zeit gesammelten Reiseeindrücke veröffentlicht Toller 1930 unter dem Titel Quer durch. Reisebilder und Reden.
Von einer Reise in die Schweiz im Februar 1933 kehrt Toller nicht mehr nach Deutschland zurück. Seine Berliner Wohnung, die er sich mit dem Verleger Fritz Landshoff teilt, wird noch in der Nacht des Reichstagsbrands von SA-Leuten geplündert, seine Stücke werden verboten, seine Bücher verbrannt, sein Name auf die erste Ausbürgerungsliste des Deutschen Reichs gesetzt.
Toller bleibt zunächst für einige Monate bei Emil Ludwig in Zürich und stellte dort seine Autobiographie Eine Jugend in Deutschland fertig, die noch 1933 im neu gegründeten Exilverlag Querido publiziert wird. 1934 übersiedelt er nach London und gehört dort zu den Mitbegründern des deutschen Exil-P.E.N. Er hält leidenschaftliche, appellierende Reden, spricht im Rundfunk, hält Vorträge auf internationalen Kongressen, vor Gewerkschaftsvertretern und Arbeitern, initiiert und unterstützt Flüchtlingshilfsprojekte. Daneben setzt er seine Reisetätigkeit fort, u. a. nach Russland (1934), Frankreich (1935) und Spanien (1936), und festigt zunehmend sein Ansehen als literarische und politische Symbolfigur des deutschsprachigen Exils. Zeitgleich schreibt Toller an dem Theaterstück Nie wieder Friede (1934–1936).
Im Mai 1935 heiratet Toller die 18-jährige Schauspielerin Christiane Grautoff, die ihn im Oktober des darauffolgenden Jahres in die USA begleitet. Toller geht zunächst auf Vortragstournee quer durch die Vereinigten Staaten, und spricht – zum Teil mehrmals täglich – über kulturelle und politische Themen, v. a. aber über die Situation in Deutschland. Im Februar 1937 schließt er in Los Angeles einen hochdotierten Einjahresvertrag als Drehbuchautor bei MGM ab. Hier arbeitet er an den Drehbüchern Lola Montez (auch: Heavenly Sinner) und Der Weg nach Indien, die aber beide nicht auf der Leinwand realisiert werden.
Enttäuscht kehrt Toller im Februar 1938 nach New York zurück; es kommt zur Trennung von Grautoff. Toller reist ins Bürgerkriegsspanien und ruft ein internationales Hilfsprojekt für die hungernde Zivilbevölkerung ins Leben, für das er monatelang unermüdlich Regierungsvertreter aller nichtfaschistischen westlichen Staaten besucht, Unterstützungserklärungen und Hilfszusagen sammelt. Parallel dazu arbeitet er an seinem letzten Stück, Pastor Hall, für das er Material von dem Exilautor Hermann Borchardt bezieht, was in einem Rechtsstreit mündet. Sein letztes politisches Werk scheitert am Sieg Francos Ende März 1939 und der damit einhergehenden faschistischen Diktatur in Spanien.
Am 22. Mai 1939 nimmt sich Toller in seinem Zimmer im Mayflower Hotel das Leben.
Literatur
Frühwald/Spalek 1979: Wolfgang Frühwald; John M. Spalek: Der Fall Toller. Kommentar und Materialien. München, Wien: Hanser, 1979.
Distl 1993: Dieter Distl: Ernst Toller. Eine politische Biographie. Schrobenhausen: Bickel, 1993. (Edition Descartes, 1).
Dove 1993: Richard Dove: Ernst Toller. Ein Leben in Deutschland. Aus dem Englischen von Marcel Hartges. Göttingen: Steidl, 1993.
Neuhaus/Selbmann/Unger 1999: Stefan Neuhaus; Rolf Selbmann; Thorsten Unger (Hrsg.): Ernst Toller und die Weimarer Republik. Ein Autor im Spannungsfeld von Literatur und Politik. Würzburg 1999. (Schriften der Ernst-Toller-Gesellschaft, 1).
Rothe 1993: Wolfgang Rothe: Ernst Toller in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek: Rowohlt, 1983 (Rowohlts Monographien, 312).
TW: Ernst Toller: Sämtliche Werke. Kritische Ausgabe in 5 Bänden. Hg. von Dieter Distl, Martin Gerstenbräun, James Jordan, Stephen Lamb, Peter Langemeyer, Karl Leydecker, Stefan Neuhaus, Michael Pilz, Kirsten Reimers, Christiane Schönfeld, Gerhard Scholz, Rolf Selbmann, Thorsten Unger u. Irene Zanol. Göttingen: Wallstein 2015.