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Ernst Toller
Kurzbiographie über den Schriftsteller und Politiker
Ernst Toller wurde am 1. Dezember 1893 als Sohn einer jüdischen
Kaufmannsfamilie in Samotschin in der damaligen preußischen
Provinz Posen geboren. Typisches Kind seiner Zeit, zog er als Hurra-Patriot
in den Ersten Weltkrieg und kam als Pazifist aus den Schützengräben
zurück. In der bayerischen Revolution gehörte der 25jährige
zunächst zum „braintrust" Kurt Eisners, den er Weihnachten
1917 in Berlin kennengelernt hatte, und wurde im Laufe der verworrenen
Ereignisse in Bayern in die Phalanx der Revolutionäre gespült.
Viel zu jung, mangelte es ihm an politischer Identität, zu
deren Ausbildung die Erfahrung der Politik in eine Politik der Erfahrung
hätte umgesetzt werden müssen.
Nach dem Scheitern der Räterepublik wurde er
zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt, die er von 1919 bis
1924 in den Gefängnissen Stadelheim, Eichstätt, Neuburg
an der Donau, aber insbesondere in Niederschönenfeld bei Rain
am Lech verbüßte. Dort entstanden seine bedeutendsten
Werke, gelangte er zu Theaterruhm. Seine Stücke wurden in 27
Sprachen übersetzt, auf den wichtigsten Bühnen der Welt
aufgeführt. Er war in den 20er Jahren der bekannteste lebende
Dramatiker deutscher Sprache. Sein Ruhm überragte bei weitem
den von Sternheim, Kaiser oder Brecht.
Nach seiner Haftentlassung setzte Toller sich weiter
rastlos für seine humanitären und sozialistischen Ideale
ein. Die politischen Fragen, mit denen er sich in den 15 ihm verbleibenden
Jahren beschäftigte, sind von bestürzender Aktualität:
das Problem des Pazifismus, das für ihn darin bestand, daß
Gewalt unter Umständen ebenso unvermeidlich wie moralisch verwerflich
sein kann; die unlösbaren Paradoxien des Sozialismus; der Schutz
der Menschenrechte; die heraufziehende Bedrohung durch den Rechtsradikalismus.
Toller prophezeite Ende der 20er Jahre bereits,
daß Hitler, auf legale Weise an die Macht gekommen, diese
nie mehr abgeben würde. „Der Diktator, der den Frieden
von heute preist, tut es, um den Krieg von morgen vorzubereiten."
So Tollers Kommentar in London zu Hitlers olympischen Tönen
in Berlin 1936.
Ab 1933 im Exil, bemühte Ernst Toller sich,
die Zersplitterung der politischen Kräfte aufzuheben. In den
USA wurde er zum meistgehörten und gefeierten Repräsentanten
eines anderen Deutschlands. Er stellte seine Popularität in
den Dienst gigantischer Hilfsprojekte für die notleidende Zivilbevölkerung
in Spanien. Die Niederlage der spanischen Republik mußte Toller
jedoch als erneute Erfahrung einer verratenen Revolution empfinden.
Er warnte, der Bürgerkrieg in Spanien sei für Hitler-Deutschland
lediglich die Generalprobe für einen europäischen Krieg.
Seine Appelle an die westlichen liberalen Demokratien, die Nichteinmischungspolitik
aufzugeben, verhallten ungehört. Die unverzügliche Anerkennung
der faschistischen Diktatur Francos in Spanien durch England, Frankreich
und die Vereinigten Staaten mußte Toller zutiefst erschüttern,
da er seinerseits nie bereit war, ethische Überlegungen aus
seinem politischen Handeln auszublenden.
Diese Gewissenlosigkeit der Politik trieb Ernst
Toller zur Verzweiflung. Alles, wofür er literarisch und politisch
gekämpft hatte, schien verloren. Am 19. Mai 1939 feierte Franco
in Madrid mit einer großen Parade seinen Sieg. Drei Tage später
nahm sich Ernst Toller in New York das Leben. Wolfgang Frühwald
meinte, diese letzte Demonstration der Freiheit verdeutlichte einer
zwanghaft gewordenen Welt, auf welchen Akt hin sich ihr Entscheidungsspielraum
verengt hatte. |
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Ernst Toller mit seiner Ehefrau Christiane Grautoff |
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