Pension Steinplatz, Postkarte um 1910 (H. O. Förster)

Berlin, Uhlandstraße 197: Pension Steinplatz

52°30’29.3″N 13°19’34.8″E

Brief Nr. 433 an Sidney Gutman (UT, Harry Ransom Center, Ernst Toller Papers)

„[N]un bin ich glücklich wieder in Berlin gelandet“, schrieb Toller am 21. Dezember 1925 an Ivor Montagu (Brief Nr. 428) Kurz vor Weihnachten war er aus England zurückgekehrt, wo er sich knappe drei Wochen auf Einladung des PEN-Clubs aufhielt. Toller mietete sich in der Pension Steinplatz ein, einem schon damals geschichtsträchtigen Haus.

1906/1907 nach Plänen von August Endell – dem Architekten der Hackeschen Höfe – als „hochherrschaftliches Wohnhaus“ (Börsch-Supan et ali 1977, S. 457) von Hermann Lau erbaut, wurde bereits ein Jahr nach der Fertigstellung in einem Teil des Jugendstil-Gebäudes mit olivgrüner Fassade und Stuckelementen gegenüber der Hochschule der Künste eine Pension eingerichtet. 1913 übernahm der Unternehmer und Privatbankier Max Zellermayer das Haus, das 1931 zu „Hotel-Pension Steinplatz“ umbenannt wurde.

Das Hotel am Steinplatz hatte einen ganz besonderen Rang in der Hotellerie Berlins. Es konnte sich zwar nicht mit dem Prunk des Hotels Adlon messen, auch nicht mit dem gewaltigen Dimensionen des Esplanade, aber es hatte einen ganz besonderen Charme, eine ‚Seele‘ […].

Zellermayer 2010, S. 12f.

Das Hotel diente u. a. Robert Musil nach seiner Übersiedlung nach Berlin 1914 als vorläufige Unterkunft, nach der Oktoberrevolution zogen russische Adelige und Intellektuelle, darunter Nicolai und Vladimir Nabokov, ein und machten das Hotel zum Treffpunkt von Exil-Russen (vgl. Zellermayer 2010, S. 25).

Zu unseren Stammgästen gehörten bald schon auch prominente Schriftsteller, Sänger und Dirigenten sowie Professoren und Akademiker, die in Berlin ihre Vorlesungen hielten oder an den Theatern engagiert waren. Viele dieser Geistesgrößen trafen bei uns zusammen und bereicherten die Atmosphäre in unserem Hotel während der sogenannten Goldenen Zwanziger.

Zellermayer 2010, S. 27.

Toller verbrachte die Feiertage und den Jahreswechsel 1925/26 in der Pension Steinplatz. Von hier aus besuchte er die Proben zum Entfesselten Wotan, der am 23. Februar 1926 im nur etwa einen Kilometer entfernten Theater Tribüne (Otto-Suhr-Allee 18) Premiere feiern sollte, versuchte den „Verdruss mit Theatern und Agenturen“ zu klären (Brief Nr. 442 an Maximilian Harden) und arbeitete nicht zuletzt intensiv an seinem Buch Justiz-Erlebnisse: „[I]n den letzten Wochen kam ich kaum aus dem Haus“, schrieb er am 16. Januar 1926 an Harden: „Mein Buch über die Justiz wuchs und wuchs, und ich war nicht fähig, Besuche zu machen.“ (ebd.)

Die Pension sollte aber keine dauerhafte Bleibe werden. Am 10. Februar 1926 wandte sich Toller deshalb an Siegfried Jacobsohn, den Herausgeber der Weltbühne: „Für das Inserat in der ‚Weltbühne‘ möchte ich folgenden Text vorschlagen: ‚Leere Atelierwohnung gesucht. Zuschriften unter Ernst Toller an den Verlag der ‚Weltbühne‘.“ (Brief Nr. 448). Das Inserat konnte nicht nachgewiesen werden, es ist anzunehmen, dass Toller es zurückzog, als sich seine Pläne für die Reise in die Sowjetunion konkretisierten, die er schließlich am 24. März 1926 antrat.  Zwar taucht die Uhlandstraße 197 noch eine Weile als Absenderadresse auf, aber sie wurde wohl nur für Nachsendungen oder von der Schreibkraft Tollers verwendet. „Ich wohne längst nicht mehr Uhlandstr. 197“, schrieb er am 10. Juni aus Landsberg an der Warthe, wo Tollers Mutter lebte (Brief Nr. 470). Und einige Tage später meldete er aus Paris: „Berlin bleibt für mich das widerliche Zentrum sinnloser Betriebsamkeit.“ (Brief Nr. 472 an Betty Frankenstein). Dennoch kehrte er Anfang 1927 wieder dorthin zurück. „Ich glaube, ich habe vergessen, Ihnen meine Adresse zu geben. Sie lautet: Spichernstr. 8/9 bei Fuchs.“ (Toller an Willy Haas, Brief Nr. 511). Aber das ist ein anderes Kapitel.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Hotel wieder aufgebaut und blieb ein wichtiger Treffpunkt und für zahlreiche Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur. Heinrich Böll und Günter Grass zählten ebenso zu den Gästen wie Paul Celan und Romy Schneider. Nach einer Zwischennutzung als Seniorenheim eröffnete Marriot International das Haus 2013 wieder als Luxushotel, dem „Hotel am Steinplatz“.


Quellen

Eva und Helmut Börsch-Supan, Günther Kühne, Hella Reeles: Berlin. Kunstdenkmäler und Museen. Mit 118 Abbildungen, Plänen und Übersichtskarten. Stuttgart: Reclam, 1977 (Reclams Kunstführer. Deutschland, Bd. VII), S. 457f.

Amt für Denkmalpflege (Hg.): Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin. Stadt und Bezirk Charlottenburg. Textband mit 146 Abb. Bearb. von Irmgard Wirth. Berlin: Gebr. Mann, 1961, S. 571f.

Amt für Denkmalpflege (Hg.): Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin. Stadt und Bezirk Charlottenburg. Tafelband mit 866 Abb. Bearb. von Irmgard Wirth. Berlin: Gebr. Mann, 1961, Abb. 757-759.

Ilse Eliza Zellermayer: Prinzessinnensuite. Mein Jahrhundert im Hotel. Berlin: Aufbau, 2010.

www.hotelsteinplatz.de (abgerufen am 17.9.2019)

Irene Zanol, 10.10.2019