Dieter Distl bei der Verleihung des Toller-Preises an Gertraud Klemm (Foto: A. Meilinger)

Mehr Literatur nach Neuburg, mehr Toller in die Welt. Dieter Distl wird im 25. Jahr ihres Bestehens Ehrenvorsitzender der Ernst-Toller-Gesellschaft

Am 25. September 2021 feierte die Ernst-Toller-Gesellschaft zusammen mit der Stadt Neuburg an der Donau und dem Lions-Club Neuburg die Vergabe des 11. Ernst-Toller-Preises an die österreichische Schriftstellerin Gertraud Klemm. Zugleich erinnerte die Toller-Gesellschaft an diesem Abend auch an ihr 25jähriges Bestehen und damit an das ebenso lang dauernde, tatkräftige Wirken ihres Gründungsmitglieds und bisherigen Vorsitzenden, Dr. Dieter Distl, der bei der Mitgliederversammlung am Nachmittag desselben Tages einstimmig zum Ehrenvorsitzenden gewählt worden war.

Dieter Distl, der im Oktober diesen Jahres seinen 72. Geburtstag feiert, übernahm 1987 die Leitung des Kulturamts in Neuburg an der Donau, die er bis zu seiner Pensionierung 2014 innehatte. In dieser Funktion prägte er das kulturelle Leben der Stadt und setzte große Projekte um, die auch überregional Beachtung fanden. 1988 wurde das sanierte Stadttheater, in dem seit 1997 zweijährlich auch die Verleihung des Toller-Preises stattfindet, eröffnet und Dieter Distl machte sich in der Folge um den Aufbau eines engagierten Programms durch wechselnde Bühnen, Konzerte und Kabaretts verdient. So gastierten u. a. etwa Georg Ringswandl oder der spätere Toller-Preisträger Gerhard Polt in Neuburg. Auch für den Aufbau der städtischen Tanzschule unter der Leitung von Angela Kockers, für den Ausbau der Neuburger Sommerakademie und für die Initiierung des Biagio-Marini-Wettbewerbs für Alte Musik zeichnete Distl verantwortlich.

Neben den historischen Ausstellungen, Vortragsreihen und Symposien fanden vor allem die Ausstellungen, die Distl während seiner Zeit als Kulturamtsleiter organisierte, große Beachtung. Zu den ausgestellten Künstler*innen zählten Hans Baschang, Rupprecht Geiger, Franziska Hufnagel, Eric Isenburger, Hans Georg Rauch, Chihiro Shimontani, Tomi Ungerer, Rudolf Wachter und viele mehr. Auch der Gold- und Silberschmied Rudolf Bott stellte seine Werke in der Städtischen Galerie im Rathausfletz aus. 1996 erhielt er den Auftrag, dem Ernst-Toller-Preis Gestalt zu verleihen und schuf den sog. Silberbaum, dem seither von allen Preisträger*innen ein Blatt hinzugefügt wird.

Neben seinem beruflichen Engagement galt und gilt Dieter Distls Interesse der Literatur – und hier ganz speziell einem Literaten: Nachdem er 1978 in einem Hauptseminar von Kurt Sontheimer an der Universität München ein erstes Mal von Ernst Toller gehört hatte, ließ ihn die Faszination für den Schriftsteller, v. a. aber für den Politiker Toller nicht mehr los. 1993 erschien Distls Dissertation mit dem Titel Ernst Toller. Eine politische Biographie im Druck, 1996 gründete er zusammen mit Monika Burck-Schneider, Karola Distl, Sandra Hawrylchak, Sabine Kammerl, Bernhard Lang, John M. Spalek und Barbara Zeitelhack die Ernst-Toller-Gesellschaft e.V., die sich die Förderung der Herausgabe und Verbreitung von Tollers Gesamtwerk zum Ziel machte und als deren Vorsitzender er seither fungierte.

Auch die Vergabe eines Ernst-Toller-Preises wurde bereits bei der Gründung der Gesellschaft beschlossen und erfolgte schon im Jahr darauf ein erstes Mal an Albert Ostermaier. Seither wurde der mit 5.000 Euro dotierte Preis in Zusammenarbeit mit dem Lions-Club und der Stadt Neuburg insgesamt elf Mal vergeben, u. a. an Felix Mitterer, Juli Zeh, Günter Grass, Gerhard Polt, Katja Petrowskaja und Wolf Biermann. In Zusammenarbeit mit dem Germanisten Stefan Neuhaus wurden zwei vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF finanzierte Projekte realisiert, die die Einrichtung einer Toller-Forschungsstelle in den Jahren 2009 bis 2016 (bis 2013 an der Universität Innsbruck, danach an der Universität Koblenz-Landau) ermöglichten. Hier wurde an der kritischen Edition der Werke und Briefe Tollers – und damit einem der wichtigsten Ziele der Ernst-Toller-Gesellschaft – gearbeitet. Die Ausgaben erschienen 2014 und 2018 im Wallstein Verlag.

1999 erfolgte zudem die Gründung der Schriftenreihe der Ernst-Toller-Gesellschaft, deren Mitherausgeber Dieter Distl seither ist. Zahlreiche literarische Veranstaltungen zu Toller und seiner Zeit gingen ebenso auf seine Initiative zurück wie Konferenzen und Symposien. Auch der Aufbau der umfangreichen Toller-Sammlung im Stadtarchiv Neuburg ist ein Verdienst Distls und wäre ohne seine Freundschaft mit einem der wichtigsten Repräsentanten der Exilforschung, John M. Spalek (1928-2021), nicht denkbar gewesen.

Stets war und ist Dieter Distl kompetenter Ansprechpartner in allen Toller-Belangen. Zu seinen größten Verdiensten für die Toller-Philologie zählt fraglos der Aufbau eines wissenschaftlichen Netzwerks, das von den USA über Großbritannien, Irland, Norwegen und Spanien bis nach Neuburg an der Donau reicht. Mit dem Ziel, mehr Literatur nach Neuburg zu bringen, hat er die Toller-Gesellschaft vor 25 Jahren begründet und seither von Neuburg aus auch mehr Toller in die Welt gebracht.

Dass ihn, der sich in diesem Jahr aus Altersgründen nicht mehr als Vorsitzender zur Wahl gestellt hat, der aber weiterhin für die Organisation und Vergabe des Toller-Preises in Neuburg verantwortlich zeichnen wird, die Mitgliederversammlung zum Ehrenvorsitzenden gewählt hat, ist daher nur folgerichtig. Er versteht es wie kein Zweiter, das Interesse an Toller und seinem Werk zu wecken und am Leben zu halten. Wo immer in den Reihen der Tollerianerinnen und Tollerianer Projektideen entstehen, Publikationen skizziert und Tagungen angeregt werden, war und ist Dieter Distl ein Garant für deren Umsetzung. Das Engagement, mit dem er sich in den letzten 25 Jahren für Ernst Toller und sein Werk eingesetzt hat, erinnert in seiner Vehemenz und Hartnäckigkeit an Toller – und ist denen, die ihm im Vorstand nachfolgen, zweifellos ein Vorbild.